Belgien so: wer braucht schon 100-jährige Bäume wenn es doch um den dRiNgEnDeN HoChWaSsErScHuTz geht

Mich macht es ja immer traurig wenn Bäume aus dem Stadtbild verschwinden. Nicht nur dass Straßen mit Grün einen viel schöneren und lebenswerteren Anblick bieten, die Umgebung wird auch mit frischer Luft versorgt, tierische Stadtbewohner finden Unterschlupf, und im Sommer wird die Aufheizung von Beton- und Asfaltflächen im Schatten enorm verringert. 

Zugegebenermaßen wird die Kanalisation, der diese Bäume jetzt weichen müssen, nicht einfach so aus Spaß erneuert. Allerdings ist der Grund auch keine Beschädigung oder so. Stattdessen können bestimmte Gruppen jetzt wieder lästern: die EU ist schuld!!1! 

Denn: Im europäischen Recht wurde schon seit den 90er Jahren darauf hingearbeitet, dass Oberflächengewässer (Flüsse und so) bis 2015 in einem "guten Zustand" sind. Um das zu erreichen wurden nicht unbedingt eindeutige Verfahren vorgegeben, aber Zielwerte, durch die indirekt klar war dass sie nur erreichbar sind wenn beinahe keine Abwässer mehr ungereinigt in Flüsse gelangen.

Darüber hinaus ist Fachleuten auch mindestens genauso lange klar, dass eine gute Abwasserbehandlung am besten funktioniert, wenn auf dem Weg zur Kläranlage keine Verdünnung der Abwässer passiert. Dementsprechend ist eine getrennte Kanalisation für Abwasser und Regenwasser die logische Schlussfolgerung, und wurde auch als "Stand der Technik" in meinem Umweltschutz-Studium gelehrt, Anfang des Jahrhunderts. 

Belgien hat das Thema ungefähr zur selben Zeit in eigenen Gesetzen verarbeitet. Man könnte jetzt denken: OK, die Deadline war dann erst 15 Jahre später, und jetzt sind wir nochmal fast 10 Jahre weiter, was machen die die da eigentlich jetzt noch am Abwasserkanal? Oder schon wieder?

Stellt sich raus: Regenwasser wird in Belgien zu einem großen Teil noch immer nicht getrennt vom Abwasser abgeleitet, wodurch bei starken Regenfällen (die durch Klimaveränderung immer und immer häufiger vorkommen) Überlastungen des Netzes und der Kläranlage und außerdem Überschwemmungen entstehen können. 

Besser (oder: schlimmer) noch: Viele Gemeinden in Belgien haben selbst noch gar keine Kanalisation angelegt, also selbst keine, die Regen- und Abwasser gemeinsam abführt. Auf die Schnelle ein paar Zahlen aus Flandern, der nördlichen Hälfte Belgiens, aus 2019: damals wurde das Abwasser bei 7 von 8 Haushalten (87,5%) tatsächlich in eine Kanalisation abgeleitet. Nicht schlecht, so 4 Jahre nach der Deadline!

Das heißt aber auch, dass die Abwässer jedes 8. Haushalts anders abgeleitet werden. Die damals schlechtesten 10 Gemeinden hatten einen Anschlussgrad an die Kanalisation zwischen 46,5 bis sogar nur 13,45%. 

Natürlich sollte es so sein dass das Abwasser der nicht angeschlossenen Haushalte trotzdem zumindest grundlegend gereinigt wird, z.B. könnte mit Hilfe einer Dreikammer-Klärgrube der gröbste Dreck zurückgehalten werden, bis er alle 3-5 Jahre abgepumpt und anderweitig behandelt wird.

Hoffentlich ist das so, anderenfalls will das nämlich sagen: in 2019, in einem kleinen gallischen belgischen Dorf mit 2.000 Einwohnern, kackten bis zu 1.731 davon sozusagen direkt in einen Bach hinterm Haus.

Es wäre doch eine Schande, wenn alle diese Häufchen bei der nächsten Überschwemmung in den jeweiligen heimischen Keller zurückkehrten...